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Cyberstalking: "Meine Vinted-Fotos landeten ohne mein Wissen auf Pornoplattformen"

Cyberstalking: "Meine Vinted-Fotos landeten ohne mein Wissen auf Pornoplattformen"
4 Min.

Tagtäglich werden Bilder von Frauen ohne deren Zustimmung oder gar Wissen auf zwielichtigen Plattformen, Pornoseiten oder Erotikforen veröffentlicht. Eine Betroffene erzählt, wie sie davon erfahren hat, dass ihre Vinted-Fotos missbraucht wurden.

Seit ungefähr sechs Jahren benutzt Mina Camira die beliebte Secondhand-Plattform Vinted, damals noch Kleiderkreisel. Genauso lange erhält sie dort Nachrichten von Männern. Männer, die nicht etwa ihre Kleidung kaufen möchten, sondern aus anderen Gründen mit der damals noch Minderjährigen in Kontakt treten. "Ich war gerade mal 16 Jahre alt und bekam ständig ekelhafte Anfragen wie 'Kann man auch dich kaufen?' und 'Du geiles Stück' oder 'Kannst du das vorher ohne Unterwäsche tragen'?", erzählt die heute 22-Jährige im Gespräch mit BRIGITTE. "Das prallte allerdings mehr oder weniger an mir ab, ich war auch als junge Frau daran gewöhnt, sexualisiert zu werden."

Dass die Belästigungen ein noch viel größeres Ausmaß angenommen hatten, bemerkte sie erst durch Zufall, als ein Freund ihre Vinted-Fotos auf zwielichtigen Erotikplattformen entdeckte. "Anfang dieses Jahres googelte er im Zug am Laptop meinen Instagram-Namen, weil sein Handyakku leer war, und sofort ploppten 20 bis 30 Pornoseiten auf. Das war ein totaler Schock. Ich dachte wirklich, er veräppelt mich, als er mir davon erzählte. Ich war zu dem Zeitpunkt eine Privatperson mit nicht einmal 500 Instagram-Followern und habe überhaupt nicht verstanden, wie das passieren konnte", so Mina.

"Aus meinen privaten Fotos wurde Profit gemacht – ohne mein Wissen"

Nicht nur die Bilder von Vinted wurden missbraucht und in einem völlig anderen Kontext dargestellt, sondern auch die von Minas Instagram-Account. "Die Fotos tauchten in Kombination mit Stichworten wie 'OnlyFans geleaktes Foto' oder 'Nude Leaks' auf, dabei habe ich gar kein OnlyFans. Auf einem meiner Fotos trage ich ein T-Shirt und stehe einfach da, man sieht kein Gesicht, man sieht nichts, aber scheinbar reicht das schon für manche Männer", berichtet sie.

Auf vielen Seiten findet Mina Konten in ihrem Namen, die offenbar schon seit Jahren aktualisiert werden. Forenmitglieder scheinen sie bei Vinted und Social Media zu beobachten und Informationen über sie zu sammeln. Das war Teil eines perfiden Spiels. "Sie erstellten Screenshots von meinen Instagram-Stories und aktualisierten die Inhalte, sobald ich etwas Neues hochgeladen hatte. Als ich das realisierte, bekam ich Panik und wollte einfach nur, dass es aufhört", so Mina.

Ermittlungen ohne Erfolg

Nach dem ersten Schock meldete die junge Frau die Inhalte bei Google. Die ernüchternde Rückmeldung: Es liege kein Richtlinienverstoß vor. Auch von den Porno- und Erotikseiten habe sie kaum Antworten auf ihre Beschwerdemails erhalten. "Ein paar Seiten haben zwar Fotos gelöscht, aber vermutlich nur, weil ich mittlerweile so viel Aufmerksamkeit erziele und sie Angst haben, dass die Seite dichtgemacht wird. Schließlich ist die alles andere als legal", erklärt Mina.

Also erstattete sie Anzeige, doch auch diese blieb ohne Erfolg. Nach vier Wochen wurde das Verfahren eingestellt – mit der Begründung, dass es keine ermittelbaren Täter gäbe. Dabei seien laut Mina viele der Accountnamen und Profilbilder in Foren und Telegram-Gruppen klar zu erkennen. Statt ihr Anliegen ernst zu nehmen, würde ihr geraten, ihre Bilder und Profile zu löschen, sich also zu verstecken. "Dabei habe ich doch gar nichts falsch gemacht. Ich habe lediglich eine Plattform so benutzt, wie man sie benutzen soll, und jetzt trage ich die Konsequenzen."

Teaserbild für den Newsletter Empower Hour

Aus Verzweiflung – und um andere Frauen zu warnen – nahm Mina schließlich ein Video zu dem Vorfall auf, das auf TikTok und Instagram viral ging. Denn was ihr passiert ist, ist kein Einzelfall. Viele Frauen fanden sich in Minas Geschichte wieder und berichten online, ähnliche Übergriffigkeiten erlebt zu haben. In Foren wie "Celebforum" oder "Girls of Vinted" würden ihre Fotos geteilt und weitere Informationen über sie gesammelt. Eine Betroffene erzählt auf Nachfrage von BRIGITTE, ein Mann, der sich auf Vinted als interessierte Käuferin ausgab, habe sogar ihre Adresse ausfindig gemacht und sie zu Hause aufgesucht.

Auf Social Media erfährt Mina nicht nur Zuspruch, auch Hassnachrichten dringen zu ihr durch. Sie sei "selbst schuld, wenn sie sich so präsentiere", heißt es dort unter anderem. Deswegen hat die 22-Jährige jetzt eine Petition gestartet mit dem Titel "Unsere Vinted-Fotos sind kein Porno – Schützt uns vor Missbrauch & Belästigung, jetzt!". Sie sagt, sie wisse zwar, dass sie nichts falsch gemacht habe, aber bei sexualisierter Gewalt finde viel zu häufig eine Täter-Opfer-Umkehr statt – dem müsse ein Ende gesetzt werden. Gerade Frauen, die kein großes Support-System haben wie sie selbst, möchte sie unterstützen.

Was soll noch passieren, bis Frauen endlich ernst genommen werden?

Mit der Petition will die Kölnerin vor allem Aufmerksamkeit auf das Thema Cyberstalking lenken, denn es könne Leben zerstören, so Mina. Daher fordert sie die Umsetzung von vier zentralen Maßnahmen, die Nutzerinnen mehr Schutz gewährleisten sollen: Eine Screenshot-Sperre, die verhindern soll, dass Aufnahmen von Verkaufsbildern erstellt werden können sowie eine Verifizierungspflicht, damit Täter leichter identifiziert werden können. Außerdem müsse Vinted sensible Daten wie Adressen verschlüsseln, beispielsweise durch einen QR-Code, und den Wortfilter optimieren, um potenziell übergriffige oder sexuell belästigende Nachrichten zu erkennen und zu blockieren.

Keine aussagekräftige Rückmeldung von Vinted

Vinted hat sich gegenüber Mina nicht zum Vorfall geäußert, auf die Anfrage von BRIGITTE kommt jedoch ein ausführliches Statement zurück. In diesem heißt es unter anderem: "Die Bewältigung solcher Probleme ist eine ständige Herausforderung, und wir suchen aktiv nach verschiedenen Möglichkeiten, dies zu tun."

Und weiter: "Auch wenn die Inserate auf unserer Plattform dazu gedacht sind, Menschen sicher miteinander zu vernetzen und Handel zu ermöglichen, wissen wir, dass öffentlich sichtbare Inhalte auf anderen Plattformen missbraucht werden können. Leider können wir das nicht vollständig kontrollieren. Wir empfehlen betroffenen Nutzer:innen daher, direkt bei den jeweiligen Drittseiten die Entfernung ihrer Bilder zu beantragen." Außerdem verweist das Unternehmen auf seine Block- und Meldefunktion und darauf, dass bereits proaktive Erkennungstools eingesetzt würden, um "schädliche Sprache" zu identifizieren.

Wirklich zufriedenstellend ist die Stellungnahme von Vinted für Mina nicht. "Besonders enttäuscht bin ich darüber, dass die Verantwortung wieder auf die Betroffenen abgewälzt wird." Und die Meldefunktion auf Vinted sei bei weitem nicht ausreichend, da sich Nutzer einfach ein neues Profil zulegen könnten.

Sie wisse, dass die Petition nicht von heute auf morgen alles verändern werde, aber sie sei ein Anfang. Sie habe keine Lust mehr, sich kleinzumachen und hinzunehmen, dass das Internet als rechtsfreier Raum betrachtet wird: "Es macht mich einfach traurig und wütend, dass uns Frauen immer wieder etwas kaputtgemacht wird. Deswegen bleibe ich so lange laut, bis man mich hört."

Brigitte

brigitte

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